Schlagwort: Trauer

Antwort auf: Was war. Was bleibt.

Den Tod eines nahen Verwandten zu erleben ist etwas, das einen umhaut, erlebt man es das erste Mal. Die Hilflosigkeit. Die Ratlosigkeit. So viele unterschiedliche Gefühle, und so viel davon auf einmal. Die Tatsache, daß die Welt sich gnadenlos weiterdreht. Die Sonne gleißend weiterscheint. Und es wird nur schlimmer, wenn man es zum 1+n-ten Male erlebt.

Das kann Ich verdammt gut nachvollziehen. Es ist die wohl erschütternste Erkenntnis überhaupt, die sich aus so einer Situation ergibt:

Das Leben geht weiter. Irgendwie.

Das Leben geht ungebremst weiter und reisst einen einfach mit, ob man will oder nicht. Man funktioniert noch. Mehr oder weniger. Aber nichts mehr ist wie es mal war. Man wird sich seiner eigenen Sterblichkeit auf schmerzhafte Art und Weise bewusst, wenn “das Sterben” in der Verwandtschaft beginnt, und man erkennt, das diese gewisse Ära einer “ganzen” Familie plötzlich vorbei ist. Es bleiben eine Menge unbeantworteter Fragen. Man hält eine Weile inne, zuckt dann mit den Schultern und macht einfach weiter. Und trägt in sich eine riesige schwärende Wunde die nur langsam vernarbt. Man beginnt sich mit Dingen zu beschäftigen, an die man vor einigen Jahren noch keinen einzigen Gedanken verschwendet hätte. Fragt sich, ob man sich damit nicht selber runter zieht. Aber irgendwie MUSS man sich damit beschäftigen um zu verstehen was überhaupt passiert ist. Und um überhaupt damit umgehen zu können. Die Wertigkeiten des Lebens verändern sich, was früher wichtig erschien ist plötzlich nebensächlich und vernachlässigbar geworden.  Neues tritt auf den Plan und Erkenntnisse reifen heran, von denen man noch nicht genau weis, wohin sie letztendlich führen werden. Und eventuell erschrickt man ein wenig vor sich selbst, weil man sich plötzlich mit anderen Augen sieht, und erkennt wie man funktioniert und was für ein Scherbenhaufen man selbst eigentlich ist.

Was uns nicht umbringt … quält uns. Eine Weile. Und dann immer mal wieder.

Aber das Leben geht weiter. Auf jeden Fall.

It hurts so much

Heute war die Trauerfeier.

Und Ich bin immer noch wie betäubt. Es fällt Mir schwer den Druck hinter der Stirn raus zu lassen,

auch wenn ringsum alle flennen und schniefen, und es da nicht gross auffallen würde.

Aber irgend etwas zwingt Mich, nach aussen hin “Haltung” zu wahren.

Während es Mich innerlich zerreisst, meinen Vater weinen zu sehen.

Trotzdem bin Ich da.

Trost spenden.

Halt geben.

Druck wegnehmen.

Einfach nur da sein.

Ich frage nicht wo die Kraft her kommt.

Schliesslich fliessen doch Tränen.

Und es wird leichter.

Ein wenig.

Abschied

Ich habe Mich heute von Meiner Mom verabschiedet und bin gerade ziemlich durch den Wind. Sie hat Krebs im Endstadium. Das klingt so unglaublich nüchtern. Endstadium. Es erweckt den Eindruck als könnte man diesen allerletzten Abschnitt zeitlich fest bemessen. Als wüssten wir nicht nur, DAS Mom stirbt, sondern auch WANN, so als hätte man den Fahrplan des Lebens an der Wand hängen. Aber wie sollte man es sonst gross ausdrücken. Sie wird ganz sicher sterben. Wahrscheinlich schon in wenigen Stunden oder Tagen. Die Diagnose kam vor nicht ganz zwei Jahren. Dann das volle Programm, Operationen, Chemotherapie, Krankenhaus, wieder nach Hause, dann wieder Krankenhaus und von vorn. Alles für die Katz. Und man stellt fest wie schrecklich hilflos man selbst ist. Das man einfach nur zu sehen kann. Zu sehen dabei, wie Sie immer weniger wird, und innerhalb einiger Wochen um Jahrzehnte altert, mittlerweile nur noch dahin dämmert und zu schwach zum sprechen, zum sich bewegen ist. Diese unsägliche Ohnmacht, nichts tun können zu spüren und zu erkennen das Sie aufgegeben hat und nicht mehr will. Das tut unglaublich weh. Auf allem liegt ein Schatten und die eigenen Problemchen werden plötzlich so unglaublich winzig und irrelevant. Man wartet einfach nur noch auf den einen entscheidenden Anruf und läuft dabei seinen eigenen Kurs weiter und funktioniert funktioniert funktioniert, denn das Leben geht ja weiter. Es hat Sie mitten aus dem diesem Leben gerissen mit gerade mal 59. Und Sie wird keine 62 mehr, ausser irgendein grausamer Gott will es so. Sie hatte noch so viel vor. Und dann steh Ich an Ihrem Bett, halte Ihre Hand, die nur noch Haut und Knochen ist, spüre diese fiebrige Hitze in Ihr. Mama ist ausgemergelt, ausgezehrt… regelrecht aufgefressen von einer der schrecklichsten Krankheiten die unsere Zeit kennt. Was sagt man in diesem Moment? Leb wohl? Machs gut? Gute Reise? Niemand kanns Mir sagen und Ich folge einfach nur meinem Bauchgefühl. Ich sage etwas von dem Ich glaube es bislang noch nie zu Ihr gesagt zu haben. Etwas das jeder seinen Eltern und ganz besonders seiner Mutter ab und an mal sagen sollte, ganz egal wie man sonst zu einander steht:

Ich hab Dich lieb, Mom

Warum müssen wir immer erst jemanden verlieren um zu erkennen was wir an ihm hatten?

Nachtrag:

Heute, 19.06.2008, gegen 16 Uhr, war es vorbei. Sie ist friedlich eingeschlafen und hat es überstanden. Sie hat sich einen wunderschönen Tag mit gutem Reisewetter ausgesucht. Und es ist Vollmond, das Tor ist weit offen und Sie wird gut hinüber kommen.

Gute Reise, Mom.